Wir fordern feministische Politik
29.09.2023 | Vor über vier Jahren haben wir gemeinsam Lärm gemacht und allen unsere Wut, Solidarität und Stärke gezeigt. Mehr als eine halbe Million Menschen protestierten während des feministischen Streiks 2019 mit uns. Es war die grösste Mobilisierung einer sozialen Bewegung in der Schweizer Geschichte. Die Aufbruchstimmung in eine gleichgestelltere, feministischere Welt war überall spürbar. Einiges kam ins Rollen. Anderes blieb blockiert, oder wurde sogar schlimmer: Mit AHV- und BVG- »Reformen» sollen wir für noch weniger Geld noch mehr arbeiten. Und bei vielen unserer Aktionen in den Strassen erlebten wir eine enorme Repression.
Wir stören. Das werden wir weiterhin tun. Am 14. Juni 2023 haben wir deshalb wieder gestreikt. Auch dieses Mal war die Mobilisierung enorm. Über 300’000 Menschen haben sich beteiligt. Wir haben bei der Arbeit, bei der Ausbildung, zu Hause und auf der Strasse gestreikt! Auch 2023 haben wir einen intersektionalen und inklusiven Feminismus vertreten.
Die feministische Bewegung ist die grösste soziale Bewegung der Schweiz. Die Bewegung wird von Rechts jedoch bewusst klein geredet unsere Forderungen werden nicht ernst genommen. Dies hat System. Aktuell werden mit Kampfbegriffen wie “Wokeness” und “Gender-Gaga” aktiv antifeministische Bestrebungen vorangetrieben. Wir erwarten, dass sich linke Politiker:innen klar gegen diese Bestrebungen positionieren und sich solidarisch verhalten.
Wir haben als schweizweite Bewegung diverse konkrete und dringende Forderungen ausgearbeitet. Dies bedeutet aber nicht, dass andere Forderungen weniger wichtig sind. Es ist uns wichtig, dass Politiker:innen sich mit diesen Forderungen auseinandersetzen und mit uns als soziale Bewegung in den Diskurs treten. Als breite soziale Bewegung stellen wir grosse Forderungen und skizzieren den Wunsch nach einer feministischen Gesellschaft. Es ist uns bewusst, dass diese Forderungen aktuell so nicht alle eins zu eins ins Parlament eingebracht werden können. Es ist Aufgabe der linken Politiker:innen diese Forderungen so herunterzubrechen, dass sie im Parlament bearbeitet werden können. Uns ist wichtig, dass die linken Politiker:innen dran bleiben und sich konsequent für eine feministische Zukunft einsetzen.
Wir fordern!
Wir fordern:
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eine allgemeine Verkürzung der bezahlten Arbeitszeit ohne Lohnverlust oder Mehrarbeit, einschliesslich eines Mindestlohns und Lohnerhöhungen in Sektoren, in denen überwiegend FINTA (Frauen, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans, agender Personen) beschäftigt sind.
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die Abschaffung des Drei-Säulen-Rentensystems zugunsten einer einzigen solidarischen Säule nach dem Modell der AHV, die den Erhalt des Lebensstandards garantiert, sowie eine Rentenerhöhung und eine allgemeine Senkung des Rentenalters für alle.
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einen nationalen Plan zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt mit einer intersektionalen Perspektive, der mit einem dauerhaften und umfangreichen nationalen Budget ausgestattet ist und mindestens folgendes umfasst: Prävention; die Betreuung von gewaltbetroffenen FINTA und ihren Kindern durch geschulte Fachkräfte (24-Stunden-Hotline, Anlaufstellen mit ausreichend Plätzen) und der uneingeschränkten und vorbehaltlosen Umsetzung der Istanbul Konvention.
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eine frei einteilbare Elternzeit für jede Erziehungsperson für mindestens ein Jahr pro Person und Kind, die mit 100 Prozent Erwerbsersatz bzw. mit im Minimum einer Existenzsicherung entschädigt wird, ohne Gefährdung des bestehenden Rechts auf Mutterschaftszeit sowie einen starken, kostenlosen und qualitativ hochwertigen Service public, in dem die Care-Arbeit (Erziehungs-, Haus- und Betreuungsarbeit) kollektiviert wird.
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die Abschaffung des privaten Krankenversicherungssystems und eine vollständige Übernahme der Kosten von reproduktiver und sexueller Gesundheit sowie eine einheitliche, öffentliche Krankenkasse, die nach dem Prinzip der Umverteilung finanziert wird, um einen kostenlosen und bedingungslosen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung für alle zu gewährleisten.
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einen nationalen Plan zur Bekämpfung von rassistischer, queerfeindlicher und behindertenfeindlicher Diskriminierung, der mit einem dauerhaften und umfangreichen nationalen Budget ausgestattet ist und auf folgenden Massnahmen beruht: Bildung, Prävention, Nulltoleranz gegenüber diskriminierendem Verhalten, konkrete Umsetzung in der gesamten Gesellschaft, politische Teilhabe von Migrant:innen, gesetzliche Anerkennung aller Geschlechtsidentitäten, Sichtbarkeit und Anerkennung von Menschen mit Beeinträchtigung, Zugang zu Freizeit, Gesundheitsversorgung und Beschäftigung ohne Diskriminierung.
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ein feministisches Asyl: Asyl und Zugang zu Unterstützungsstrukturen und Schutz für FINTA, die von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt und/oder aufgrund der Geschlechtsidentität sowie der sexuellen Orientierung betroffen sind und/oder die wegen ihres feministischen Kampfes fliehen müssen; eine Aufenthaltsbewilligung für alle Menschen ohne legalen Status und für alle Menschen, die in ihrem Herkunftsland und/oder während ihrer Migrationsgeschichte, einschliesslich in der Schweiz, sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt erlitten haben.
einen Nationaler Aktionsplan für Klima und Umwelt, einschliesslich der sofortigen Anerkennung des Klimanotstandes, der Umweltzerstörung und des Zusammenbruchs der Biodiversität. Die Schweiz führt ein lokales, solidarisches und ökologisches System der Nahrungsmittelproduktion und -verteilung ein – für echte Ernährungssouveränität und gegen das Monopol der Agrarwirtschaftslobby.
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die Verankerung des Feminismus in Bildung und Erziehung: Anwendung und Vermittlung von u. a. queerfeministischen, antirassistischen und behinderteninklusiven Werten, einschliesslich der konsensbasierten Sexualerziehung, durch die Lehrpläne und durch Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in diesem Bereich.
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das Recht auf Schwangerschaftsabbruch für alle: Der Schwangerschaftsabbruch soll zudem aus dem Strafgesetzbuch gestrichen und stattdessen im Zivilgesetzbuch geregelt werden.
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Kategorie | Kommentar