Martin Gallusser, Werner Kallenberger, René Levy, Nadja Mosimann, Basil Oberholzer, Beat Ringger und Hans Schäppi

Diskussion

Von der Credit Suisse zur Swiss Climate Bank
22.03.2023   |   Am Ende ist es rasch gegangen. Bundesrat und Nationalbank haben der UBS die Übernahme der Credit Suisse für ein Trinkgeld von drei Milliarden Franken ermöglicht. Sie bieten Garantien für die Liquidität im Umfang von 200 Milliarden Franken und kommen für einen Teil der allfällig entstehenden Verluste auf. Damit sind die Probleme allerdings nicht behoben, sondern lediglich verschoben, und mit der geschaffenen neuen „Monsterbank“ (NZZ) entstehen für die Schweiz untragbar grosse Risiken. Wir fordern deshalb einen dringenden Schnitt: Das Schweizgeschäft der Credit Suisse soll auf eine öffentlich gesicherte, gemeinnützige Trägerschaft übertragen und im Sinne einer Klimabank weiterentwickelt werden.
Es ist immer wieder eindrücklich: Wenn gewichtige Geschäftsinteressen auf dem Spiel stehen, dann geht es fix; dann sind aus dem Stand heraus astronomische Summen verfügbar. So 2008 bei der Rettung der UBS, so auch jetzt bei der Rettung des CS-Geschäfts. Geht es hingegen um das Risiko der Klimaerhitzung, von der immerhin die Zukunft der Menschheit bedroht wird, ist die Politik weit weg von einem auch nur annähernd angemessenen Handeln. Mit unserem Lösungsvorschlag gelingt es nun, nicht nur kommerzielle Risiken aufzufangen, sondern auch einer wirksamen Klimapolitik Schub zu verleihen.
Es ist unbestritten, dass im Fall der Credit Suisse akuter Handlungsbedarf gegeben ist. Allerdings stellen sich einige Fragen: Wo sind die Einsatzpläne geblieben, die nach der Finanzkrise 2007/8 mit dem vollmundigen Versprechen erstellt worden waren, die Too-Big-To-Fail-Logik müsse überwunden, die weitere Rettung einer Grossbank verhindert werden? Warum ist das Schweiz-Geschäft der Credit Suisse, das laut den Too-Big-to-Fail-Regeln als eigenständige Sparte geführt werden muss, nicht abgetrennt worden, wie in den entsprechenden Notfallplänen vorgesehen? Warum ist der Bund nicht selbst aktiv geworden und hat zumindest Teile der CS per Notfallrecht verstaatlicht? Warum wird nun mit der Eingliederung der CS in die UBS eine «Monsterbank» (Eisenring 2023) geschaffen, deren Bilanz mit rund 1’500 Milliarden Franken auf das Doppelte des Schweizer BIP anschwillt und die so erst recht zu einem Klumpenrisiko für die Schweiz wird? Warum wird das Problem wieder einmal nur verlagert, aber nicht gelöst? Oder glaubt irgend Jemand ernstlich, dass das UBS-Mangagement immun sei gegen all die «Fehler», die vom CS-Management in den letzten Jahren begangen wurden?

Eine neue Klimabank schaffen

Nun gut: Der erste Notfallschritt ist vom Bundesrat jetzt gemacht. Die CS ist der UBS zugehalten worden, und die Lage hat sich etwas beruhigt. Doch damit darf das letzte Wort nicht gesprochen sein. Nun müssen die nächsten Schritte folgen und die Konsequenzen aus dem offenkundigen «Marktversagen» gezogen werden. Ein erster entscheidender Schritt dabei: Das Schweiz-Geschäft der Credit Suisse soll aus der UBS wieder herausgelöst und an eine öffentlich gesicherte, gemeinnützige Trägerschaft übergeben werden. Auch für das internationale CS-Geschäft muss ein solcher Schritt geprüft werden – etwa in Zusammenarbeit mit der UNCTAD, der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung.
Ein solcher Wechsel auf eine gemeinwohl-orientierte Trägerschaft eröffnet eine grosse Chance. Eine zukunftsgerichtete Bank wird aufgebaut, die das Prädikat einer sozial orientierten Klimabank verdient. Damit werden unter anderem auch Tausende von Stellen gesichert, die bei einer Monster-UBS gestrichen würden. Aus der Credit Suisse wird damit die Swiss Climate Bank. Die Politik muss einen solchen nächsten Schritt nun vorbereiten. Dafür muss sie von der UBS als erstes verlangen, dass sie die Strukturen des CS-Geschäftes vorderhand unangetastet lässt.
Was würde eine Klimabank gegenüber heutigen Geschäftsbanken Neues tun? Klar: Sie müsste ihre Kreditvergabe und ihre Anlagepolitik an ökologischen und sozialen Kriterien ausrichten. Das lässt sich zwar nicht über Nacht realisieren, kann und soll aber Schritt für Schritt in die Wege geleitet werden. Sie kann aber noch weitaus mehr tun, und zwar vom ersten Tag an. Ein Beispiel: Sie kann in Zusammenarbeit mit lokalen Klimaagenturen (Non-Profit-Kompetenzzentren für nachhaltige Gebäudeinfrastruktur und erneuerbare Energien wie z.B. Gemeindewerken) rasch und unkompliziert Kredite für nachhaltiges Heizen, Kühlen und Isolieren von Gebäuden und für die Versorgung mit erneuerbaren Energien vergeben. Im Gegenzug würden neu erstellte Infrastrukturen geleast statt gekauft (Contracting-Modelle). Entsprechende, auf Breitenwirkung ausgelegte Konzepte hat das Denknetz bereits publiziert (Oberholzer 2019). Mit solchen Praktiken kann die neue Klimabank für einen eigentlichen Schub im ökologischen Umbau von Energieversorgung und Gebäudepark sorgen.

Wer ist schuld?

Das Karussell der Schuldzuweisungen läuft auf Hochtouren: Das Risikomanagement der CS sei ungenügend gewesen, heisst es. Die Verlockungen des raschen Profits hätten für das CS-Management Vorrang vor Sicherheit gehabt. Das stimmt. Die Bankenaufsicht durch die FINMA sei zu lasch gewesen, wird moniert. Doch über welche Instrumente verfügt die FINMA überhaupt, um wirksam zu intervenieren? So konnte sie nicht einmal dann Bussen verhängen, als sie die Credit Suisse im Fall Greensill einer «schweren Verletzung von Schweizer Aufsichtsrecht» überführte. Denn von bürgerlicher Seite sind einer wirksamen Bankenregulierung auch nach 2007/8 wiederholt die Flügel gestutzt worden.
Neoliberale Ökonom:innen weisen die Schuld nochmals einem anderen Akteur zu: Die Zentralbanken seien es, die viel zu lange mit Tiefzinsen operiert hätten. Weil dadurch Kredite praktisch zum Nulltarif verfügbar waren, sei dies eine Einladung gewesen, im Bankengeschäft zu hohe Risiken einzugehen. Tatsächlich ist die US-amerikanische Silicon Valley Bank (SVB) ins Schlingern geraten, weil die amerikanische Zentralbank (die FED) die Leitzinsen in der jüngsten Vergangenheit nun wieder markant erhöht hat. Ihre Insolvenz vom 10. März 23 hat die Finanzmarktturbulenzen verursacht, die bei der Credit Suisse – die schon zuvor mit einem massiven Abfluss von Kundengeldern zu kämpfen hatte – das Fass zum Überlaufen brachte.
Nach neoliberaler Lesart sind solche Zinserhöhungen durch die Zentralbanken unerlässlich, um die Inflation zu bekämpfen, was allerdings nachweislich falsch ist (Ringger 2022). Gegenwärtig erweist sich eben gerade, dass diese Zinserhöhungen nichts gegen die Inflation haben ausrichten können. Im Gegenteil verteuern sie Kredite, geben damit der Inflation weiteren Schub und erzeugen Turbulenzen auf den Finanzmärkten. Insgesamt wird hier die Sackgasse deutlich, in der sich das neoliberale Finanzmarkt-Regime befindet: Tiefe Zinsen befeuern Spekulation und Finanzblasen, Zinserhöhungen wiederum sind nur dann «wirksam», wenn sie die Konjunktur abwürgen.

Finanzdienste als Service public

Aber können die Finanzmärkte denn überhaupt noch stabilisiert werden – und wenn ja, mit welchen Mitteln? Und wie gelingt es, unerlässliche gesellschaftliche Ziele wie die Bekämpfung der Klimaerhitzung in der Finanzwelt durchzusetzen? Diese Fragen haben sich bereits in der Finanzkrise von 2007/8 gestellt. Das Denknetz hat sich damals ausführlich damit auseinandergesetzt und ist 2010 in einem Working Paper zum Schluss gekommen, dass systemrelevante Finanzdienstleistungen wie Zahlungsverkehr, Kreditvergabe und Sicherung von Spareinlagen in einen Service public überführt werden müssen (Denknetz 2010, 2019).
Die Eckwerte des damaligen Konzeptes sind auch heute noch lösungsweisend. Die Träger:innen solcher Service-public-Finanzdienste sollen Institute sein, die auf Eigengeschäfte, riskante Investments und Geschäfte mit risikobehafteten Wertpapieren verzichten. Ihre Tätigkeit soll der öffentlichen Kontrolle unterstehen, und sie sollen als öffentlich-rechtliche Unternehmen, Genossenschaften oder gemeinnützige Stiftungen betrieben werden. Die Kreditvergabe unterliegt der Kontrolle durch die Politik und muss an ökologischen und sozialen Kriterien ausgerichtet werden. Im Gegenzug werden Lizenzen für den Zahlungsverkehr nur noch an solche Service-public-Institute vergeben. Sämtliche andere Finanzinstitute müssen den Zahlungsverkehr über diese Dienstleister:innen abwickeln. Ein Einlegerschutz würde ebenfalls nur noch den neuen Instituten gewährt. Postbank, Raiffeisen- und Kantonalbanken müssten dafür sorgen, dass sie als solche Service-public-Finanzdienstleister:innen qualifizieren. Dieses Konzept hat nichts von seiner Aktualität eingebüsst – im Gegenteil. Es kann heute als Leitfaden dafür dienen, wie die Finanzmärkte nun neu reguliert werden müssen.
Die Transformation der ehemaligen Credit Suisse in eine Swiss Climate Bank wäre ein starker Schritt in eine solche Richtung. An die Stelle einer an der Vergangenheit orientierten Monsterbank käme so ein mächtiger Akteur für ein zukunftsgerichtetes Bankenwesen.

Hinweise

Denknetz-Arbeitsgruppe ‚Nächste Krise‘ (2018). Sechs Bausteine für
ein fortschrittliches Krisenprogramm. In: Denknetz-Zeitung Nr. 4 vom Oktober 2018. Online unter https://www.denknetz.ch/wp-content/uploads/2018/12/Bausteine_Krisenprogramm.pdf
Denknetz-Fachgruppe Politische Ökonomie (2010). Zur ‘Too-Big-to-Fail’-Problematik: Finanzdienste als Service public. In: Denknetz-Jahrbuch 2010, S. 38 ff. Online unter https://www.denknetz.ch/wp-content/uploads/2017/07/Jahrbuch_2010.pdf
Denknetz-Fachgruppe Politische Ökonomie (2019). Demokratisierung der Finanzmärkte:
Finanzdienste als Service public. In: Ruth Daellenbach, Beat Ringger, Pascal Zwicky (Hrsg). Reclaim Democracy. Zürich 2019. Online unter https://www.denknetz.ch/wp-content/uploads/2019/05/22_Demokratisierung_Finanzm%C3%A4rkte_FG_Politische_Oekonomie.pdf
Christoph Eisenring (2023). Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht. In: NZZ vom 20.3.23, S. 1
Basil Oberholzer (2019). Klimabank und Klimaagenturen: Die massive Beschleunigung des ökologischen Umbaus. Denknetz Working Paper. Online unter
https://www.denknetz.ch/wp-content/uploads/2020/03/Klimabank_Oberholzer.pdf
Beat Ringger (2022). Inflation, Versorgungskrisen, Staatsinterventionen. Denknetz-Publikation, online unter https://www.denknetz.ch/wp-content/uploads/2022/11/Ringger_Inflation_Versorgungskrisen_Staatsinterventionen.pdf