Editorial
Sollen bestimmte Wirtschaftszweige und Industrien staatlich gefördert werden? Eine solche Grundfrage schien bis vor wenigen Jahren von der politischen und wissenschaftlichen Agenda verschwunden zu sein. Im Zuge einer weit verbreiteten Markteuphorie galt es für unumstösslich, dass der globale Wettbewerb darüber entscheide, welche Industrie sich durchsetzen und welche absterben würde. Anstatt mit überholten nationalstaatlichen Mitteln wie Subventionierung und Protektionismus überholte Industriezweige zu schützen, habe eine vorausschauende Wirtschaftspolitik die allgemeinen Rahmenbedingungen zu stärken, die es Unternehmen ermögliche, langfristig Erfolg zu haben.
Der Begriff Industriepolitik verschwand und wurde zunehmend vom Begriff der Standort bzw. Wettbewerbspolitik ersetzt. Es gelte nun, sich auf jene Felder zu konzentrieren, in denen ein nationalstaatlicher Einfluss überhaupt noch geltend gemacht werden kann: Tatsächlich waren es dann auch die „Reformen“ in der Bildungs und Innovations, Steuerund Arbeitsmarktpolitik, die für ein investitionsfreundliches Klima sorgen sollten. Ein zentrales Ergebnis dieser politisch flankierten Entfesselung des marktgesteuerten Suchprozesses war das Entstehen einer gewaltigen Finanzmarktindustrie.
Spätestens seit der Finanzkrise von 2008 und den Erfahrungen von Ländern wie Großbritannien, wo lange Zeit so ziemlich alles auf die Karte Investmentbanking gesetzt wurde, ist Industriepolitik wieder ein Thema geworden, auch innerhalb der Linken. Während Industriepolitik bei Gewerkschaften und traditionellen Linken aufgrund der Frage von Arbeitsplätzen ohnehin nie preisgegeben worden ist, stellen die geforderte Energiewende, der ökologische Umbau und die Frage nach der Bedeutung der öffentlichen Care Dienste zunehmend auch darüber hinaus die Frage, wie eine linke Industriepolitik aussehen könnte.
Zur vertiefenden Beschäftigung mit dieser Thematik möchte die erste Ausgabe des Diskurs, der den bisherigen Denknetz Infobrief fortführt, die Debatte aufbereiten, strukturieren und weiterführende Materialien identifizieren.
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Inhalt
1. Editorial
2. Industriepolitischer Konsens nach 1 945
3. Von der Industrie zur Standortpolitik
4. Renaissance der Industrie-politik?
5. Stand der europäischen In-dustriepolitik
6. Industriepolitische Debatte in der Schweiz
7. Linke Industrie- und Standortpolitik?
AutorInnen
Autoren: Holger Schatz, Beat Ringger
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