Der Staat als Lebensretter. Der Bundesrat übernimmt, die Zeche bezahlt das Volk. Will es das wirklich?
29.03.2023 | Mit Beginn des 21. Jahrhunderts scheint es zur Gewohnheit geworden zu sein, dass der Staat zum Kostenträger für scheiternde Grossunternehmen wird. Am 22.10.01 wurde der SWISSAIR eine staatliche Finanzierung1 zugesichert, da sie sonst offensichtlich nicht eigenständig überleben konnte. Bundesrat und Finanzdelegation gewährten ein Darlehen zur Aufrechterhaltung des Flugbetriebs (1 Mia) sowie für die Bundesbeteiligung (600 Mio.). Am 29.04.2020 beantragt der Bundesrat dem Parlament Verpflichtungskredite von insgesamt knapp 1,9 Milliarden Franken zur Rettung der SWISS.2 Die Gelder wurden an Bedingungen geknüpft und Frau Sommaruga warnte: «Der Bundesrat schützt mit seinem Entscheid eine kritische Infrastruktur». Knapp zwei Jahre später, am 10.09.2022, klagte die Bundesrätin in einem Interview über das wirtschaftlich angeschlagene Grossunternehmen Axpo/Alpiq. Es sei in eine finanzielle Not geraten und erfordere einen bundesrätlichen Rettungsschirm von 4 Mia Franken.3
Die Reihe maroder Grossunternehmen und Finanzinstitute nimmt zu. Am 19.03.2023 übernimmt die UBS ihre Konkurrentin Credit Suisse (CS) und die Nationalbank (SNB) unterstützt die Übernahme mit einer Liquiditätshilfe von bis zu 200 Milliarden Franken. Zudem leistet der Bund eine Garantie von 9 Milliarden Franken zur Übernahme von potenziellen Verlusten der UBS im Rahmen der Übernahme.4
An diesem erneuten Drama zeigt sich, wie ungenügend der Schweizer Finanzplatz reguliert ist. Milliardenschwere Boni werden in ungerechtfertigter Weise weiterhin ausbezahlt, denn die Finanzinstitute haben freie Hand. Der Staat wird nie in der Lage sein, Unternehmen zu führen. Er darf es nicht und er will es auch nicht. Wenn immer wir finanzielle Hilfe vom Staat erbeten, dann ist das wirtschaftlich falsch, denn dafür sind die Mittel der Bundeskasse nicht bestimmt. Unternehmensförderung macht die Firma nicht der Staat. Es ist ein krasser Staatsstreich, wenn Steuereinnahmen dafür verwendet werden, damit Grossunternehmen in Krisen finanziell wiederbelebt werden. Solche politischen Fehler dürfen in Zukunft nicht mehr passieren.
Niemand will die Verantwortung tragen
Im ganzen Kontext wird oft vergessen, woher das Geld kommt und vor allem, wem es gehört. Die eigentlichen Eigentümer sind Schweizer:innen, Stimmbürger:innen, das Volk. Anlässlich der Übernahme der CS durch die UBS weist Axel Lehmann von der Credit Suisse jegliche Verantwortung an diesem Desaster von sich und spricht von „falschen Geschäftsmodellen, welche man im heutigen Umfeld nicht mehr realisieren könne.“ Der Verwaltungspräsident der CS mag sich auf dieser Art herausreden. Doch der Bundesrat sollte das nicht akzeptieren. Er steht gegenüber seinen Bürger:innen in der Pflicht, dass das bestehende Too-big-to-fail Gesetz5 endlich nachgebessert und strikt angewendet wird. Mit Fehlverhalten seitens der Regierung muss endgültig Schluss sein.
Schnelles Umdenken ist gefragt
Sollten Grossunternehmen und Finanzinstitute wirtschaftlich schwanken, dann werden sie sich selbständig, also ohne staatliche Hilfe, reformieren müssen. Ihre überholten Geschäftsmodelle werden gezwungenermassen korrigiert und dem Markt angepasst. Wenn die Marktverantwortlichen diese Notwendigkeit allerdings nicht von alleine erkennen, dann müssen die Konsument:innen nachhelfen; indem sie sich von solchen Anbieter:innen und Leistungen einfach distanzieren.
Genauso ist es mit Staats- und Regierungsunternehmungen. Wenn die Bürger:inneh mit dem politischen Vorgehen nicht einverstanden sind, können, oder besser gesagt, müssen sie das auf dem Wahlzettel festhalten. Es genügt nicht, wenn Bürger:innen die Faust im Sack machen und protestieren. Sie müssen abstimmen.
Wahlen als Chance
Nun steht die Schweiz vor den Parlamentswahlen im Herbst. In dieser Wahl liegen Hoffnung und Chance. Wenn sie nicht weiterhin die Zeche für Regierungsunfug zahlen will, dann hat sie es jetzt in der Hand, ihre staats- und marktpolitische Meinung jenen Personen und Parteien zu übertragen, denen sie eine verlässliche Führung der Staatsgeschäfte zutraut.
Nach meiner persönlichen Einschätzung gelingt die Staatsführung nur denen, die in Zukunft das Gemeinwohl6 in ihre Amtshandlungen einbeziehen, dem Klima- und Umweltschutz oberste Priorität einräumen und sich international vernetzen. So wird der Staat wirklich zum Lebensretter für die ganze Gesellschaft.
Autor
Christoph J. Rohland-Oeri, wohnt in Hinwil bei Zürich. Er ist Autor und Aktivist für geopolitische Klima- und Umweltlösungen www.climate-solution.org.