Editorial

„Wachstum ist nicht alles, aber ohne Wachstum ist alles nichts“. Ungeachtet aller Debatten um die „Grenzen des Wachstums“, wie sie seit dem gleichnamigen Bericht des Club of Rome von 1970 regelmässig geführt werden, gilt dieses Bonmot als lagerübergreifendes Leitmotiv realpolitischer Programmatik.

Der nicht mehr zu leugnende Klimawandel, der unstrittig auf die Kohlendioxid (CO2) ausstossende und Böden auslaugende Wirtschaftsweise zurückzuführen ist, die verbriefte Endlichkeit fossiler Energieträger und nicht zuletzt die neuen Krisenschübe des Kapitalismus haben jedoch eine neuere Debatte über „Wachstum“ angestossen.

Ein Schuss „Wachstumskritik“ scheint dabei mittlerweile zum rhetorischen Standart zu gehören. So kommen mittlerweile nicht einmal mehr wirtschaftliberale Pro-gramme ohne die Beschwörung einer „nachhaltigen“, ressourcen- und klimaschützenden Wachstumspolitik aus. Faktisch ist die Welt von einer wirklich nennenswerten Umkehr, welche die absehbare Klimakatastrophe verhindern könnte, so weit weg wie nie zuvor. Im Jahre 2010 – so eine jüngst veröffentlichte Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC)- ist der weltweite Ausstoss von CO2 (Kohlendioxid) um 5,8% angestiegen, was nicht allein auf den sogenannten „Nachholbedarf“ der aufstrebenden Ökonomien der Schwellenländer zurückzuführen ist. Auch die für seine Energie- und Umweltpolitik vielfach gelobte Industrienation Deutschland hat seine Emissionen gesteigert, mit 3,8% sogar auch relativ über das BIP-Wachstum hinaus. Dieses Auseinanderklaffen von einer allseits gepflegten, durch hochkarätig besetzte Kommissionen autorisierten „Wachstumskritik“ einerseits und der bitteren Ökobilanz der vorherrschenden Wirtschafts- und Lebensweise andererseits, ist erschreckend. Die Vermutung liegt nahe, dass dieses Wirtschaftssystem in fataler Weise mit dem Zwang zum Wirtschaftswachstum verknüpft ist.

Die zur Schuldenstaatskrise verdichtete Wirtschafts- und Finanzkrisemacht diese Wachstumsabhängigkeit schonungslos deutlich. So wird – parallel zum Bewusstsein über die ökologische Krise – eben immer wieder auch die Sehnsucht nach einem „Wachstum an sich“ genährt, also einem Wachstum, das nicht danach fragt, was genau und warum wachsen soll. Denn Wachstum, so ein nüchterner Kommentar in der Süddeutschen Zeitung vom 5.11.2012 „bedeutet Steuereinnahmen, schafft Jobs, und entlastet die Sozialversicherungen.“ Und Wachstum – so die beruhigende Beteuerung  ermögliche überhaupt erst den Umbau der Industrienationen zu einer ressourcenschonenden, nachhaltigen Wirtschaft, die wiederum „neues“ Wachstum schaffe! Alles scheint möglich also in dieser weitverzweigten Debatte.

Grund genug, die vielen, sich widerstreitenden Positionen – zu ordnen und zu analysieren. Die folgende Darstellung strukturiert die Debatte entlang idealtypisch unterscheidbarer Positionen, für die Repräsentanten nur exemplarisch genannt werden.

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Inhalt

I. Einleitung

II. Zum Begriff des Wachstums

III. Green New Deal: Ist eine „Entkoppelung“ des Wachstums möglich?
VertreterInnen
Anreize zur klimaneutralen Produktion durch Marktmechanismen – evolutionäre Sozialökonomik
Grenzen des Green New Deal und Rebound-Effekte
Politische Kritiken am Green New Deal

IV. Gewerkschaften und Wachstum

V. Traditionelle Wachstumsbefürwortung

VI. Wachstumsrücknahme im Kapitalismus?
Décroissance, Postwachstum, Steady Economics, Kulturwandel,
konservativ-neoliberale Wachstumskritik

VII. Analysen des kapitalistischen Wachstumszwangs
Kapitalismus als dynamischer Prozess
Kredit und Zins als Wachstumstreiber
Neo-Keynesianismus: Finanzmarkt-getriebener Kapitalismus/Finanzialisierung
Kritische Kapitalismusanalyse

VIII. Antikapitalistische Wachstumskritik
Gerechte Übergänge

IX. Typologie der Wachstumsdebatte

X. Hinweise

AutorInnen

Inhalt und Gestaltung: Holger Schatz. Ein besonderer Dank geht an Beat Ringger für Anregungen und Kommentare.

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