Editorial

Die überflüssige Schweiz – der Titel ist keine Provokation, vielmehr nüchterne Bestandesaufnahme. Seit dem Zweiten Weltkrieg verlassen sich die Eliten der Schweiz auf den Sonderfall-Mythos, auf die Rolle eines neutralen Super- Kleinstaates, der sich im Windschatten der Grossmächte bewegt und dem von der übrigen Welt ausserordentliche Privilegien zugestanden werden. Doch diese werden immer weniger gewährt. Als Sonderfall ist die Schweiz nicht zukunftsfähig und wird überflüssig. In den nächsten Jahren stehen diesbezüglich richtungsweisende Entscheide an. Sie betreffen die Standort- und Steuerpolitik, den Umgang mit dem Thema Migration und das Verhältnis zur Europäischen Union.

Die Kontingentierungspolitik, mit der die SVP in der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 gepunktet hat, droht uns in eine Sackgasse zu manövrieren. Die Schweiz hat seit 1998 das Standortdumping massiv verstärkt, zum Beispiel mit den tiefsten Unternehmenssteuern Europas. Damit wurde Kapital in gigantischen Mengen in unser Land gelockt. Allein zwischen 2004 und 2008 sind die hierzulande deklarierten Unternehmensgewinne von 120 Mia auf 280 Mia Franken gestiegen. Dem Kapital folgten Betriebe, Arbeitskräfte, Menschen. Diese Menschen will die SVP nun wieder kontingentieren und zu rechtlosen Arbeitnehmenden degradieren, wie das früher durch das Saisonnierstatut geschah. Doch die Rechnung der SVP kann nicht aufgehen: Man kann nicht den internationalen Steuervermeidungswettbewerb anheizen und massenhaft Kapital anlocken und dann gleichzeitig von der Europäischen Union verlangen, dass sie der Schweiz weiterhin Sonderrechte in Sachen Personenfreizügigkeit und Steuerpolitik gewährt.

Unser Land droht nun zwischen Marktradikalismus und Fremdenfeindlichkeit zerrieben zu werden. Der Weg aus diesem Dilemma kann nur über eine soziale und demokratische Politik führen: Statt hinzunehmen, dass sich immer mehr Reichtum in den spekulativen Finanzmärkten anhäuft und dass die soziale Ungleichheit laufend zunimmt, müssen wir diesen Reichtum wieder in sinnvolle gesellschaftliche Bereiche lenken. Statt Menschen unterschiedlicher Herkunft gegeneinander auszuspielen und Ausländerinnen und ›Sozialschmarotzer‹ in endlosen Schuldzuschreibungen für alles und jedes verantwortlich zu machen, müssen wir die aktuellen Probleme wie steigende Umweltbelastungen, ausufernde Mobilität und wachsender Pflegenotstand mit konkreten, demokratisch legitimierten Mitteln angehen. Statt im Nationalegoismus zu versinken, muss die Schweiz wieder dazu beitragen, in den globalen Beziehungen der Länder soziale und demokratische Lösungen zu fördern.

Im ersten Kapitel des vorliegenden Buches – Die überflüssige Schweiz – gehen wir diesen Entwicklungen vertieft nach. Im zweiten Kapitel, der Denknetz-Reformagenda, entwickeln wir konkrete Vorschläge, wie unser Land einen zeitgemässen Richtungswechsel vornehmen kann. In zwei weiteren kürzeren Kapiteln werden Texte dokumentiert, die sich mit den Folgen des knappen Ja zur Kontingentierungsinitiative der SVP vom 9. Februar 2014 und mit der Abstimmung über die Ecopop-Initiative auseinandersetzen. Für eine offene und solidarische Schweiz ist eine Grundsatzerklärung aus dem Denknetz-Umfeld, die anfangs März 2014 publiziert worden ist. Weder Eco noch Pop ist das Ergebnis eines Workshops, der im Mai 14 stattgefunden hat.

Mit dem Text Zwölf Thesen zu Wirtschaftswachstum, Umweltschutz und Wohlstand fragen wir nach, wie gesellschaftliche Verhältnisse global gerecht und gleichzeitig nachhaltig gestaltet werden können. Das abschliessende Kapitel Zu reich für den Kapitalismus: Die Krise der gesellschaftlichen Investitionsfunktion wurde von der Denknetz- Fachgruppe Politische Ökonomie 2010 geschrieben. Darin wird erörtert, welcher Art die Krise ist, in der sich 9 die globale Wirtschaft seit 2007 befindet, und es werden die Grundlagen für eine politische Orientierung skizziert, die aus dieser – noch lange nicht bewältigten – Krise herausführen kann.

Die Herausgeberinnen und Herausgeber

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Cover

AutorInnen

Ruth Daellenbach, Ruth Gurny, Christoph Hefel, Katharina Prelicz-Huber, Beat Ringger, Dario Schai, Hans Schäppi, Rita Schiavi, Nina Schneider, Walter Schöni, Jean-François Steiert, Pascal Zwicky, Denknetz Fachgruppe Politische Ökonomie

ISBN

HerausgeberInnen: Ruth Gurny, Beat Ringger; Die überflüssige Schweiz: Eine Denknetz Streitschrift; ISBN 978-3-85990-246-6; Verlag: edition 8, Quellenstr. 25, 8005 Zürich

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