Editorial
«Linkswende oder Weltende» war einer der möglichen Titel, unter dem wir im Denknetz Anfang Jahr die Frage diskutierten, ob und wie die unterschiedlichen sozialen Bewegungen gemeinsam Macht von unten aufbauen und den Systemchange voranbringen können.
Verschiedene Autor*innen äussern sich dazu in dieser Zeitung. Darunter Raul Zelik, der die übergreifenden Ziele linker Politik nennt: Nach wie vor geht es um materielle Bedingungen sozialer Gleichheit, aber auch um eine radikale ökologische Wende, die neue feministische Emanzipation, die Stärkung globaler Rechte und Antirassismus. Vertreter*innen eben dieser Bewegungen diskutierten über das Gemeinsame: Ihre Kämpfe sind inhaltlich verflochten – von der Klimajugend zum Frauenstreik, von der Antirassismus- zur Gewerkschaftsbewegung. Die Befreiung von Unterdrückung und Ausbeutung ist ihre gemeinsame DNA; ihr Programm ist ein emanzipatorisches – für ein gutes Leben für alle.
Neben den «traditionellen» linken Organisationen sind neuere Bewegungen auf den Plan getreten. Die grossen Streiks von 2019 – Fridays for Future, Frauenstreik – entwickelten eine riesige Mobilisierungskraft. Die internationale Bewegung Black Lives Matter hat in Verbindung mit zahlreichen Basisgruppen – auch in der Schweiz – dem Kampf gegen Rassismus weltweit Gehör verschafft. Wie können diese Kräfte, über die aktuelle Covid-Krise hinaus, wirksam bleiben? Schaffen sie es, die existenzielle Krise hinter der Pandemie, den Klimawandel, zu stoppen? Lässt sich dieses auf umfassender Ausbeutung basierende System, der kapitalistische Status quo, noch rechtzeitig stoppen und überwinden?
Eva von Redecker anerkennt in ihrem Buch «Revolution für das Leben» die neuen Bewegungen als revolutionäre Praxis. Dies ist eine richtungs-weisende und motivierende Perspektive, wenn wir daran glauben, dass sich Menschen mobilisieren lassen, sobald sie sehen, dass es um ihre Welt, um ihr Leben und um ihre Zukunft geht. Dafür braucht es eine glaubwürdige Erzählung über Gerechtigkeit, über Care für Menschen und Umwelt, über Menschenrechte. Wäre das die Vision eines ökologischen und demokratischen Sozialismus unserer Zeit? Hier diskutieren wir weiter.
Ruth Daellenbach
Präsidentin des Denknetz
Autor*innen
Yuvviki Dioh, Chris Kelley, Natascha Wey, Lorenz Obrist, Ruth Daellenbach, Raul Zelik, Jo Lang, Palmo Brunner, Tamara Funiciello, Mia Jenni, Andreas Rieger, Romeo Rey, Hans Baumann, Beat Ringger, Stephan Rist, Anne Gurzeler, Pascal Zwicky, Hayat Erdoğan, Nikolai Prawdzic, Basil Oberholzer, Marion Leng, Kirstin Schild, Michael Graff, Franco Cavalli, Beppe Savary-Borioli
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