Denknetz
Reformmodell
AEV-Plus
Wir nennen diese Mängel und Lücken in einer kurzen Übersicht: 1) Selbstständig Erwerbende sind in der Schweiz gegen Erwerbsausfall nicht versichert. Es gibt dafür nicht einmal private Angebote. 2) Wer krank wird, ist nur dann ausreichend gegen Erwerbsausfall geschützt, wenn sein Unternehmen eine private Kollektivversicherung oder sie/er selbst eine Einzelversicherung abgeschlossen hat. Für eine solche Einzel-Krankentaggeldversicherung werden teilweise horrende Prämien verlangt. 3) Die Invalidenversicherung ist dazu übergangen, vielen Menschen eine IV-Rente zu verwehren und sie in die Sozialhilfe abzudrängen. 4) Die Sozialhilfe wiederum reicht oft kaum, um ein Leben in Würde zu bestreiten. Oftmals werden Sozialhilfe-Empfangende zudem drangsaliert und als Sozialschmarotzende in Verruf gebracht. 5) Wer auf Sozialhilfe angewiesen ist, aber keinen Schweizer Pass vorweisen kann, der muss überdies damit rechnen, dass ihm sein Aufenthaltsrecht entzogen wird – selbst wenn er sein ganzes bisheriges Leben in der Schweiz verbracht hat. 6) Völlig schutzlos sind schliesslich diejenigen Migrant*innen, die aus sogenannten Drittweltstaaten ausserhalb der EU stammen und keine Chance haben, eine offizielle Aufenthaltsbewilligung zu erhalten: Die Zehnausenden von Sans Papiers1.
AEV-Plus: Für alle, und für alle Fälle
Das Reformmodell AEV-Plus ist eine Weiterführung früherer Reformkonzepte aus den Reihen des Denknetzes. AEV steht für Allgemeine Erwerbsversicherung. Das Grundkonzept haben wir der Öffentlichkeit erstmals im Jahr 2009 vorgestellt, und es hat seither immer Eingang in diverse Diskussionen gefunden. Ergänzend und verbessernd haben wir 2016 ein paralleles Reformmodell für eine Ablösung der Sozialhilfe durch die sogenannte Existenzsicherung für Alle präsentiert. AEV-Plus verbindet nun die beiden Ansätze zu einer konsistenten Gesamtreform.
AEV-Plus ist für alle und erfasst alle Erwerbstätigen, auch die selbstständig Erwerbenden. Weiter deckt AEV-Plus alle Fälle von Erwerbsausfall bis zum Erreichen des Rentenalters ab und vereint damit die Arbeitslosenversicherung ALV, die Geldleistungen der Unfallversicherung, die Invalidenversicherung IV, die Leistungen der Erwerbsersatzordnung EO (Mutterschaft/Vaterschaft und Militärdienst), die Ergänzungsleistungen EL und die Sozialhilfe unter einem Dach. Damit wird bereits eines der Probleme gelöst, das grosses Leid verursachen kann. Betroffen davon sind all jene, die heute zwischen Stuhl und Bank fallen, weil oft darum gestritten wird, welche Sozialeinrichtung sich für zuständig erklärt. So ist etwa die IV in den letzten Jahren unter grossen Spardruck gesetzt worden und hat deshalb begonnen, Leute systematisch in die Sozialhilfe abzuschieben. Für die Betroffenen bedeutet dies u.a., dass sie ihr gesamtes Vermögen aufbrauchen müssen, bevor sie auch nur einen Franken an Unterstützung erhalten.
Die AEV-Plus-Leistungskomponenten
AEV-Plus knüpft wo immer möglich und sinnvoll an die heutigen Einrichtungen an. Wer das Schweizer System der sozialen Sicherheit kennt, dem sind deshalb die drei monetären AEV-Plus Leistungskomponenten vertraut. Taggelder werden in all jenen Fällen ausgerichtet, in denen die Betroffenen vorübergehend verhindert sind, Erwerbsarbeit zu leisten, sei dies bei Arbeitslosigkeit, durch Unfall, Krankheit, Militärdienst oder Mutterschaft / Vaterschaft. Renten werden gewährt, wenn sich erweist, dass Erwerbsarbeit auf längere Dauer nicht oder nur noch begrenzt möglich ist, zum Beispiel nach einem Unfall, der eine lebenslange Behinderung zur Folge hat. Die dritte Form von AEV-Plus -Leistungen ist bedarfsabhängig und entspricht im Grundsatz den heutigen Ergänzungsleistungen. Sie kommen immer dann zum Tragen, wenn die verfügbaren Einkünfte (z.B. aus Taggeldern und Renten) nicht ausreichen, um die täglichen Ausgaben zu decken, die für eine Existenz in Würde notwendig sind. Die bedarfsabhängigen AEV-Plus-Leistungen ersetzen die heutige EL und die Geldleistungen der Sozialhilfe.
Zu den drei monetären AEV-Plus -Komponenten kommt als Viertes ein kohärentes und ausreichend umfassendes Angebot an Beratung und Unterstützung. Auch hier werden mehrere heutige Dienste unter ein Dach gebracht: Die regionalen Arbeitsvermittlungsstellen RAV, die IV-Beratungsstellen, die Ämter der Sozialhilfe, Mütter-/Väterberatung und die öffentlichen Berufsberatungen.
Die wichtigsten Verbesserungen
In all diesen Leistungskomponenten sind in der AEV-Plus sämtliche bisherigen Leistungen auf mindestens dem heutigen Niveau gesichert. Zusätzlich bringt AEV-Plus eine Reihe von Verbesserungen:
Taggelder
– Die zeitliche Limitierung der Taggelder wird aufgehoben, was vor allem bei lang anhaltender Arbeitslosigkeit von Bedeutung ist. Tatsächlich gibt es keinen Grund, Arbeitslose nach einer gewissen Zeit auszusteuern und dafür zu bestrafen, dass ihre Bemühungen um Erwerbsarbeit erfolglos bleiben.
– Wer Taggelder bezieht, ist verpflichtet, sich um eine neue Stelle zu bemühen. Es darf jedoch niemand zu einer Arbeit gezwungen werden, die den Regeln von Decent Work2 widerspricht.
– Wer nicht bezahlte Care-Arbeit leistet (z.B. eigene Kinder oder akut erkrankte respektive verunfallte Angehörige betreut), der wird in klar definiertem Umfang davon entlastet, Erwerbsarbeit suchen zu müssen3. Bei einer späteren Wiederaufstockung der Pensen bleibt der Anspruch auf Taggelder unangetastet.
Renten
– In der heutigen IV kommt es immer wieder zu realitätsfremden Bemessungen einer (Teil-) Rente, weil eine verbleibende Rest-Arbeitsfähigkeit vermutet wird, die nichts mit den realen Anforderungen in der Wirtschaft zu tun hat. Dies muss korrigiert werden.
Bedarfsleistungen
Bedarfsleistungen
– Die Höhe der AEV-Plus Bedarfsleistungen orientiert sich an den heutigen Ergänzungsleistungen EL. Sie liegen damit deutlich über den Sozialhilfeleistungen und ersetzen diese.
– Im heutigen System haben nur Leute Anspruch auf EL-Leistungen, die bereits eine IV- oder AHV-Rente erhalten – nicht aber z.B. Alleinerziehende ohne ausreichende Einkommen. Dies wird korrigiert: AEV-Plus – Bedarfsleistungen werden in allen Fällen gewährt, in denen die verfügbaren Einkünfte (z.B. aus Taggeldern und Renten, aber auch aus kleinen Erwerbseinkommen) nicht für eine würdige Existenzsicherung ausreichen.
– Wie bei der heutigen EL werden Bedarfsleistungen gewährt, wenn das Vermögen unter der Grenze von CHF 100‘000.- liegt (CHF 200‘000.- bei Ehepaaren). Bis zu einer Freigrenze von CHF 30’000.- (50‘000.- bei Ehepaaren, zuzüglich CHF 15‘000. pro Kind) wird dabei ein Anteil des Vermögens an das verfügbare Einkommen angerechnet.
– Bedarfsleistungen müssen nicht zurückgezahlt werden, wie dies in einigen Kantonen heute in der Sozialhilfe der Fall ist.
Wie bereits erwähnt, werden diese drei Leistungskomponenten auch für selbstständig Erwerbende verfügbar. Massgebend für die Berechnung der Taggelder ist dabei der Durchschnitt des Erwerbseinkommens der letzten drei Jahre. Wenn selbstständig Erwerbende Taggelder beziehen wollen. müssen sie bereit sein, eine Stelle anzutreten, d.h. sie müssen vermittelbar sein. In begründeten Fällen kann ihnen von der AEV-Plus-Beratungsstelle ein zeitlich begrenzter Versuch gewährt werden, als selbstständig Erwerbende wieder ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.
Opting Out
Wie heute in der Arbeitslosenversicherung bleiben AEV-Plus-Taggelder wegen Erwerbslosigkeit an die Bedingung geknüpft, dass die Empfänger*innen aktiv Erwerbsarbeit suchen. Neu ist nun in der AEV-Plus ein Opting Out vorgesehen für jene, die zwar Erwerbsarbeit leisten könnten, dies aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht wollen4.
Wer sich für ein Opting Out entscheidet, hat Anspruch auf AEV-Plus-Bedarfsleistungen, sofern sie oder er die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. Opting-Out-Bezüger*innen sind jedoch verpflichtet, die bezogenen Leistungen zurückzuzahlen, wenn ihr Vermögen irgendwann nach Ende der Opting-Out-Phase auf mehr als CHF. 200‘000.- ansteigt (z.B. bei einer grösseren Erbschaft).
Opting Out ist zum Beispiel für Personen gedacht, die ihr Leben der Kunst oder einem klimapolitischen Engagement widmen wollen und bewusst in Kauf nehmen, in ihrem späteren Leben auf grössere Vermögen zu verzichten.
Ergänzende Reform des Migrationsrechts: Die Personenfreizügigkeit für Alle
Das AEV-Plus-Modell bringt erhebliche Verbesserungen, kann alleine aber nicht alle sozialen Probleme lösen. So braucht es zum Beispiel einen Ausbau der familienergänzenden Kinderbetreuung (Kita) und eine starke Vergünstigung der Tarife für die Eltern, um Einzelpersonen und Familien mit Kinderbetreuungspflichten ausreichend zu unterstützen. Solche Reformen müssen unabhängig von einer AEV-Plus in Angriff genommen werden.
In einer Hinsicht jedoch wollen wir das AEV-Plus-Modell mit einer Reform in einem andern Regelbereich koppeln, nämlich dem Migrationsrecht. Der erste Grund dafür sind die eingangs erwähnten Sans Papiers, die oft ein ganzes Leben weitgehend recht- und schutzlos in der Schweiz verbringen.
Eine dauerhafte Abhilfe schafft hier nur eine Ausweitung der Personenfreizügigkeit PFZ auf alle Länder. Die PFZ gewährt Menschen mitsamt ihren Familien einen sicheren Aufenthaltsstatus in der Schweiz, sofern sie eine Arbeitsstelle gefunden haben. Gegenwärtig gilt diese Regelung nur für Menschen aus EU-Ländern. Mit einer Ausweitung auf alle Länder wird anerkannt, dass Arbeit ein zentraler Auslöser für Migration ist. Sans Papiers haben in der Schweiz Arbeit gefunden, kommen aber aus den «falschen» Herkunftsländern und erhalten deshalb kein Aufenthaltsrecht. Dies führt zu einer menschlich unhaltbaren Situation: Sans Papiers müssen jeden Tag mit ihrer Abschiebung rechnen. Sie sind ihren Arbeitgeber*innen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie müssen oftmals schlechte Arbeitsbedingungen akzeptieren und können die Einrichtungen der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsversorgung nicht (oder nur sehr beschränkt) in Anspruch nehmen.
Im weiteren gehört die Regelung abgeschafft, wonach Leuten ohne Schweizer Pass ihre Aufenthaltsbewilligung entzogen werden kann, wenn sie Sozialhilfe beziehen.
Die Umschulungsoffensive: Bundesstipendien für mindestens zehn Jahre
Gegenwärtig verfügen wir in der Schweiz über keine Instrumente, um die berufliche Umschulung und Weiterbildung von Erwachsenen sicher zu stellen. Unser Berufsbildungssystem geht von der Annahme aus, dass die einmal absolvierte Berufsbildung genügt. Gegenwärtig allerdings öffnet sich eine grosse Schere zwischen den aktuellen Berufsprofilen vieler Erwachsener und dem künftigen Bedarf an Fachleuten. Im Bereich der Pflege und Betreuung fehlen bis ins Jahr 2030 in der Schweiz 65‘000 Pflegefachleute5. Für den dringend notwendigen sozialverträglichen ökologischen Umbau der Gesellschaft fehlt ebenfalls eine grosse Zahl an Fachleuten. Ein Beispiel: Damit Gebäude energetisch saniert werden können und die dezentrale erneuerbare Energieversorgung zum Klappen kommt, braucht es Tausende von kompetenten Mitarbeiter*innen für die Installation und Wartung der entsprechenden Anlagen. Weiter fehlen auch viele Fachleute im Bereich der familienergänzenden Kinderbetreuung oder in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technologie).
Im Gegenzug sehen sich die Menschen in etlichen Branchen mit schwindenden beruflichen Perspektiven konfrontiert. Dies betrifft etwa Reparatur und Unterhalt von herkömmlichen Autos oder die Flug-, Tourismus- und Eventbranche, aber auch eine Reihe von kaufmännischen Tätigkeiten.
Deshalb soll der Bund mit einem nationalen Sonderprogramm ein Angebot an beruflicher Umschulung und Weiterbildung lancieren, das rasch greift und schnell echte Perspektiven schafft. Diese Umschulung und Weiterbildung muss gepaart werden mit existenzsichernden Stipendien, die analog zu AEV-Plus -Bedarfsleistungen berechnet werden sollen. Dieses Programm soll zunächst auf zehn Jahre ausgelegt werden und jährlich 5-10‘000 Erwachsenen eine berufliche Umschulung nach freier Wahl ermöglichen.
Kosten und Finanzierung
Die Kosten für das Umschulungsprogramm schätzen wir für die gesamte Laufzeit von zehn Jahren auf 10 bis 15 Mrd CHF. Diese Schätzung basiert auf der Annahme, dass zwischen 70‘000 und 100‘000 Menschen von dem Angebot Gebrauch machen, was wir angesichts des akuten Fachkräftemangels für eine wünschenswerte Grössenordnung halten. Weil es sich dabei um Ausgaben handelt, die nur für eine beschränkte Zeit anfallen, schlagen wir eine Finanzierung aus den Gewinnen der Nationalbank SNB vor. Die SNB hält gegenwärtig die enorme Summe von 90 Mrd CHF an akkumulierten Gewinnen zurück (Stand anfangs 2021), die von Gesetzes wegen explizit zur Ausschüttung an die öffentliche Hand vorgesehen sind.6
Anders sieht es bei den Reformen der Sozialwerke aus. Hier handelt es sich um jährlich wiederkehrende Kosten. Es ist nicht trivial, die finanziellen Folgen der Einführung einer AEV-Plus zu schätzen. Zunächst ändert sich die Beitragsbemessung, weil – wie heute bei IV und EO – die AEV-Plus -Beiträge auf sämtliche Einkommensanteile erhoben werden. Dies führt gegenüber heute zu jährlichen Mehreinnahmen von rund einer Mrd CHF und verstärkt den sozialen Aspekt bei den Beiträgen: Hohe und sehr hohe Einkommen tragen verstärkt zur Finanzierung bei . Weiter haben bessere Leistungen (wie etwa zeitlich unlimitierte Taggelder) zwar deutliche Mehrkosten zur Folge; sie entlasten allerdings gleichzeitig die Aufwände auf Seiten der Bedarfsleistungen, weil Langzeit-Arbeitslose durch die Taggelder nun auf Dauer finanziell abgesichert sind. Dies gilt auch für die obligatorischen Krankentaggelder. Hier können überdies (ebenso wie bei den privaten Unfallversicherungen ausserhalb des SUVA-Bereiches) weitere Ersparnisse erzielt werden, weil Privatversicherungen deutlich teurer sind als öffentliche Versicherungseinrichtungen.
Unsere Schätzungen ergeben unter dem Strich jährliche Mehrkosten in einer Grössenordnung von zwei bis drei Mrd CHF. Diese Mehrkosten sollen durch allgemeine Finanzmittel des Staates (Bund und Kantone) gedeckt werden, nicht durch eine Erhöhung der lohnprozentualen Beiträge. Denn gegenwärtig liegt der Staatsanteil an den Systemen der sozialen Sicherheit in der Schweiz im europäischen Vergleich sehr lief, während die lohnprozentualen Beiträge entsprechend hoch sind. Im Jahr 2017 betrug er 23.6 % und lag damit erheblich unter dem Schnitt der E15-Länder (41%) und der EU28-Länder (40.1%). Die geschätzten Mehrkosten von zwei bis drei Mrd CHF entsprechen rund einem Prozent der jährlichen Staatseinnahmen in der Schweiz (2020: 240.94 Mrd CHF). Sie bringen den Staatshaushalt nicht aus dem Gleichgewicht.
Geplante Buchpublikation
Wir arbeiten gegenwärtig mit Hochdruck an einer Buchpublikation zum AEV-Plus Reformmodell. Das Buch wird im Januar 2022 erscheinen. Darin werden die Reformkonzepte im Detail erläutert. Ebenso werden die finanziellen Aspekte genau unter die Lupe genommen. Das Buch wird zudem eine grosse Zahl an Quellenangaben und Literaturverweisen enthalten. Deshalb beschränken wir uns im Rahmen dieses Textes auf zwei Literaturverweise:
Zum einen ist dies das Buch aus dem Jahr 2009, in dem das Modell einer Allgemeinen Erwerbsversicherung in seiner Grundversion erläutert wird: Ruth Gurny, Beat Ringger (2009). Die grosse Reform. Die Schaffung einer Allgemeinen Erwerbsversicherung AEV, Zürich.
Der zweite Hinweis betrifft den Text, in dem die gesondert konzipierte Existenzsicherung für Alle EfA erläutert wird, die die heutige Sozialhilfe ersetzen soll und die nun im AEV-Plus -Modell vollständig integriert ist:
Ruth Gurny, Ueli Tecklenburg (2020). Heraus aus der Sackgasse: Existenzsicherung statt Sozialhilfe. In: Caritas-Sozialalmanach 2020, Luzern.
Gerne stehen wir für Rückfragen zur Verfügung. Ebenso freuen wir uns über Rückmeldungen. Wir sind auch gerne bereit, unsere Reformvorschläge an Sitzungen oder Veranstaltungen zu erläutern. Erreichbar sind wir unter info@denknetz.ch
Fussnoten
1. Genaue Angaben über die Zahl der in der Schweiz lebenden Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung sind nicht möglich, da diese Bevölkerungsgruppe nicht systematisch registriert ist. Vorhandene Zahlen sind immer Schätzungen. Die Schätzungen variieren zwischen 58 000 und 250 000.
2. Der Begriff „Decent work“ wurde 1999 von der Internationalen Agentur für Arbeit (ILO) lanciert. Auf Deutsch wird der Begriff meist mit „menschenwürdiger Arbeit“ übersetzt. Decent work meint Beschäftigungsmöglichkeiten, die ein gerechtes Einkommen verschaffen, mit Sicherheit am Arbeitsplatz und einer sozialen Absicherung der Beschäftigten und ihrer Familien verbunden sind, Aussichten auf persönliche Weiterentwicklung bieten und die soziale Integration fördern. Weiter muss gewährleistet sein, dass die Beschäftigten sich gewerkschaftlich organisieren und an den für ihr Leben relevanten Beschlüssen mitwirken können.
3. Damit aus unbezahlter Arbeit in der Betreuung von Kindern kein Armutsrisiko entsteht, können erwerbstätige Eltern in der AEV-Plus den Umfang der eigenen Vermittelbarkeit für Erwerbsarbeit herabsetzen, ohne dass sie damit ihr soziales Existenzminimum aufs Spiel setzen. Falls nämlich die anrechenbare Einkommen im Haushalt tiefer zu liegen kommen als die anerkannten Ausgaben, haben sie Anspruch auf Bedarfsleistungen. Die AEV-Plus erhält hier den Charakter einer Familien-EL. In Paarhaushalten, in den beide Eltern erwerbstätig sind, kann die Aufteilung der Freistellung frei gewählt werden. Wir schlagen folgende Reduktionsmöglichkeiten vor: bis das jüngste Kind einjährig ist: 100% | bis das jüngste Kind dreijährig ist: 70% | bis das jüngste Kind sechsjährig ist: 50% | bis das jüngste Kind zwölfjährig ist: 30%
4. Die Reduktion der Vermittelbarkeit aufgrund von unbezahlter Care-Arbeit bleibt ausgenommen, siehe Fussnote drei.
5. Siehe dazu die Studie von Obsan (Merçay et al., 2016)
Zu den Autor*innen: Ruth Gurny war bis zu ihrer Pensionierung Professorin für Soziologie und Sozialpolitik an der ZHAW und von 2007 bis 2015 Präsidentin des Denknetzes. Beat Ringger ist Autor und Publizist und ehemaliger Geschäftleiter des Denknetz.