Editorial

Ganz gleich, wie Gesellschaften regiert werden: Stets treiben Verwaltungen des Staates, des Hofes oder des Militärs von der Bevölkerung Abgaben ein, so auch im Staat der Neuzeit und seit dem 18. Jahrhundert im bürgerlichen Staat. Von jeher kommt der Auseinandersetzung darüber, wer zu welchem Anteil die Steuern aufbringen und was mit diesen finanziert werden soll, eine überragende Rolle im Kampf verschiedener gesellschaftlicher Klassen zu. Derart betrachtet ist das Steuersystem eines Landes immer auch Ergebnis und Verdichtung eines gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses. Im letzten Jahrhundert haben eine starke Arbeiterbewegung auf der einen sowie die Furcht vor gesellschaftlichem Umsturz auf der andern Seite in den Industrienationen ein Steuersystem entstehen lassen, das die auf kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnissen fussende Primärverteilung gesellschaftlichen Reichtums zu einem gewissen Grad kompensiert. Lange Zeit haben massgebliche bürgerliche Kräfte dies mehr oder weniger zähneknirschend akzeptiert, zumal die Hellsichtigeren unter ihnen ohnehin von der stabilisierenden Wirkung steuerfinanzierter Staatsausgaben auf eben diese Primärverteilung wussten.

Karl Marx hatte diesbezüglich bereits 1850 in einer Rezension von „Der Sozialismus und die Steuer“ von Giradin geschrieben: „Die Distributionsverhältnisse, die unmittelbar auf der bürgerlichen Produktion beruhen, die Verhältnisse zwischen Arbeitslohn und Profit, Profit und Zins, Grundrente und Profit, können durch die Steuer höchstens in Nebenpunkten modifiziert, nie aber in ihrer Grundlage bedroht werden.“ (MEW 7, S.285). „Die Steuerreform“, so Marx weiter, „ist das Steckenpferd aller radikalen Bourgeois, das spezifische Element aller bürgerlich-ökonomischen Reformen. Von den ältesten mittelalterlichen Spießbürgern bis zu den modernen englischen Freetradern dreht sich der Hauptkampf um die Steuern.“ (ebd.)

Seit der neoliberalen Wende zu Beginn der 80erJahre ist die Forderung nach einer Senkung der „Steuerlast“ zu einem Kernpostulat bürgerlicher Politik geworden und die öffentlichen Finanzen werden unter Dauerbeschuss gesetzt. Die Folgen waren zumeist die Verschärfung der „primären“ Umverteilung sowie beträchtliche Einnahmeverluste der öffentlichen Haushalte, die wiederum nicht selten Rufe nach weiteren „Reformen“, also Ausgabenkürzungen, begründeten. In dieser Konstellation befinden wir uns auch heute noch, nur dass die aktuelle Wirtschaftskrise die Finanzlage der Haushalte nochmals massiv verschlechtert hat. Auch wenn – wie Marx spottete – die Probleme des Kapitalismus sich nicht über die Steuerfrage lösen bzw. auflösen lassen, so ist diese doch ein zentrales Feld der politischen Auseinandersetzung, das nicht den „Reformern“ überlassen werden kann.

Der vorliegende Infobrief versucht die aktuelle Dimension dieses Feldes – mit Schwerpunktbezug auf die Schweiz – abzustecken.

Download

Sie können den ganzen Diskurs kostenlos herunterladen. Über eine freiwillige Spende für den E-Download freuen wir uns – oder noch besser: Werden Sie Mitglied des Denknetzes. Sie ermöglichen damit unsere Arbeit.

Download

Cover

Inhalt

I. Editorial

II. Der verschuldete Steuerstaat

III. Steuerarten in der Schweiz
Einkommensteuer
Erbschaftssteuer
Unternehmenssteuern
Umverteilungseffekte von Steuern

IV. Steueroase Schweiz

V. Initiativen für eine Steuerwende

AutorInnen

Inhalt und Gestaltung: Holger Schatz. Ein besonderer Dank geht an Hans Baumann, Beat Ringger, Stefan Hostettler und Mark Herkenrath für Anregungen und Kommentare.

Mitglied werden

Das Denknetz ist der linke, sozialkritische Thinktank der Schweiz mit über 1400 Mitgliedern. Das Denknetz ist den Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Solidarität verpflichtet. Das Denknetz konstatiert zunehmende soziale Ungleichheiten und eine Tendenz zur Entsolidarisierung in der Gesellschaft. Es will die Mechanismen dieser Dynamik besser verstehen und Alternativen erkunden und diskutieren.

Werden Sie hier Mitglied des Denknetzes

Mitglieder ermöglichen mit ihrem Beitrag die Arbeit des Denknetz. Sie erhalten die Jahr- und Sachbücher sowie die Zeitschrift „Das Denknetz“ kostenlos per Post zugestellt und nehmen zu vergünstigten Preisen an Tagungen und Seminaren teil.

Werden Sie hier Mitglied des Denknetzes

Die Mitgliedschaft kostet Fr. 100.- pro Kalenderjahr. Wer ein kleines oder gar kein Einkommen hat entrichtet einen reduzierten Beitrag von Fr. 40.- pro Kalenderjahr.

Werden Sie hier Mitglied des Denknetzes

Mitglieder des Denknetzes können alle natürlichen Personen werden, welche die Statuten akzeptieren und insbesondere mit folgender Aussage aus der Zweckbestimmung einverstanden sind:

«Das Denknetz ist den Grundwerten der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität verpflichtet. Das Denknetz konstatiert zunehmende soziale Ungleichheiten und eine Tendenz zur Entsolidarisierung in der Gesellschaft. Es will die Mechanismen dieser Dynamik besser verstehen und Alternativen erkunden und diskutieren.»

Werden Sie hier Mitglied des Denknetzes

Video

Bibliothek

Die Denknetz Bibliothek bietet über 500 Texte zu den Themen Politische Ökonomie, Politik und Gesellschaft, Umweltschutz und Wachstumskritik, (Post-)Migration, Race-Class-Gender, Demokratie und Staat, Care und Soziale Sicherheit, Bildung, Medien, Denken sowie Geschichte und Emanzipation. Zudem sind alle Jahrbücher, Sachbücher, Zeitschriften, Audiodateien und Videos in der Rubrik Publikationen verfügbar.

Schauen Sie hier in die Denknetz-Bibliothek herein